Reform des Teilzeitrechts: Brückenteilzeit, Verlängerung der Arbeitszeit und Arbeit auf Abruf

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 18. April 2018 einen Referentenentwurf zur Änderung des Teilzeitrechts vorgelegt. Kern der Neuregelung ist die Einführung eines Anspruchs auf zeitlich begrenzte Teilzeit, die sogenannte „Brückenteilzeit“. Ferner sollen neue Regelungen für die Arbeit auf Abruf und die Verlängerung der Arbeitszeit auf Wunsch des Arbeitnehmers sowie ein Erörterungsrecht bezüglich der Arbeitszeit geschaffen werden.

Im Vergleich zu dem gescheiterten Gesetzentwurf aus dem Jahr 2017 sind einige wesentliche Änderungen vorgenommen worden. In der Anlage 1 finden Sie den Referentenentwurf, in der Anlage 2 eine Synopse, in der die geltende Rechtslage dem aktuellen und vorherigen Referentenentwurf gegenübergestellt wird.
Die geplanten Regelungen nebst einer Bewertung des bvdm im Überblick:

1. Zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit / „Brückenteilzeit“ (§ 9a TzBfG n.F. )
Zusätzlich zu dem bestehenden Anspruch auf zeitlich nicht begrenzte Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG soll in Unternehmen ab 45 Arbeitnehmern ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit für 1-5 Jahre eingeführt werden. Für Arbeitgeber mit 46 bis 200 Arbeitnehmern wird eine Zumutbarkeitsgrenze eingeführt: Sie können den Antrag ablehnen, wenn pro angefangene 15 Arbeitnehmer bereits mindestens ein Arbeitnehmer in Brückenteilzeit arbeitet. Während der Brückenteilzeit besteht kein Anspruch auf Veränderung der Arbeitszeit. Ist der Arbeitnehmer zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückgekehrt oder hat der Arbeitgeber den Teilzeitantrag aufgrund der Zumutbarkeitsgrenze abgelehnt, kann ein neuer Antrag frühestens nach einem Jahr gestellt werden. Nach Ablehnung aus betrieblichen Gründen gilt (wie bei der zeitlich nicht begrenzten Teilzeit) eine Zwei-Jahres-Frist.

Im Übrigen entsprechen Voraussetzungen und Verfahren den Regelungen für den Anspruch auf zeitlich nicht begrenzte Teilzeit:

  • das Arbeitsverhältnis muss bereits länger als sechs Monate bestehen,
  • der Antrag ist mindestens drei Monate vor dem gewünschten Beginn in Textform (neu) zu stellen,
  • der Arbeitgeber hat den Teilzeitwunsch mit dem Arbeitnehmer mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen,
  • der Arbeitgeber kann den Antrag aus betrieblichen Gründen ablehnen,
  • spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn hat der Arbeitgeber die Entscheidung schriftlich mitzuteilen, ansonsten gilt die Brückenteilzeit als nach den Wünschen des Arbeitnehmers festgelegt.
  • Bewertung des bvdm:
    Das Recht auf Brückenteilzeit wird gerade kleinere und mittlere Betriebe vor erhebliche organisatorische Belastungen stellen. Die vorgesehene Zumutbarkeitsgrenze schützt diese Betriebe nicht ausreichend, insbesondere da die ersten 45 Arbeitnehmer mitzählen, so dass etwa in einem Unternehmen mit zwei Betrieben mit jeweils 23 Arbeitnehmern gleich vier, also zehn Prozent der Belegschaft, den Anspruch geltend machen könnten. Zumindest müsste die Zumutbarkeitsgrenze betriebs- und nicht unternehmensbezogen ausgestaltet werden. Ferner sollen die aus anderen Gründen Teilzeitbeschäftigten (etwa im Rahmen von Elternzeit, Familien- oder Pflegezeit bzw. nach § 8 TzBfG) auf die Teilzeitquote nicht angerechnet werden. Somit ist abzusehen, dass die Zumutbarkeitsgrenze nur sehr begrenzte Auswirkungen haben wird. Das freiwerdende Arbeitsvolumen zu ersetzen, wird schwieriger, je kürzer die Teilzeitarbeit geplant ist. Die Personalplanung wird deutlich erschwert, wenn Arbeitnehmer künftig regelmäßig zwischen Voll- und Teil.zeit hin- und herwechseln. Aus Sicht des bvdm ist es höchst problematisch, dass der Gesetzgeber einerseits weitere Rechte für Arbeitnehmer schafft, ihre Arbeit nach ihren Vorstellungen zu gestalten, auf der anderen Seite aber den Arbeitgeber dabei behindert, den entsprechenden Arbeitsausfall flexibel, etwa durch Zeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse oder Arbeit auf Abruf, auffangen zu können.

2. Verlängerung der Arbeitszeit (§ 9 TzBfG n.F. )
Nach bisher geltendem Recht (§ 9 TzBfG) ist ein Arbeitnehmer, der seine Arbeitszeit verlängern möchte, bevorzugt zu berücksichtigen, wenn er beweisen kann, dass ein entsprechender freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht und er für diesen zumindest gleich geeignet ist wie andere Bewerber. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast dafür, dass dem Verlängerungswunsch dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. Nach der Neufassung des § 9 TzBfG soll die Beweislast zu Lasten des Arbeitgebers verändert werden. Der Arbeitgeber soll nunmehr auch die Beweislast für das Fehlen eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes sowie für die unzureichende Eignung des Arbeitnehmers tragen.

  • Bewertung des bvdm:
    Welches Arbeitsvolumen der Arbeitgeber zur Verfügung stellt und wie viele Arbeitsplätze er dafür vorsieht, gehört zum Kern der unternehmerischen Freiheit. Die geplante Neuregelung des § 9 TzBfG greift in diese Gestaltungsfreiheit massiv ein und ist daher abzulehnen. Die Beweislastumkehr stellt den Arbeitgeber vor die praktisch kaum lösbare Aufga.be, darzulegen, dass nicht genug Arbeit da ist, um einen Teilzeitbeschäftigten in Vollzeit zu beschäftigen; er muss beweisen, dass es etwas nicht gibt. Es ist völlig unklar, wie dem Arbeitgeber ein solcher Negativbeweis vor dem Arbeitsgericht gelingen soll.

3. Erörterungspflicht (§ 7 Abs. 2 TzBfG n.F.)
In § 7 TzBfG soll ein allgemeiner Erörterungsanspruch für Voll- und Teilzeitbeschäftigte über die Dauer und Lage ihrer Arbeitszeit eingeführt werden. Dieser Anspruch soll in Betrieben jeder Größe bestehen.

  • Bewertung des bvdm:
    Die Erörterung von Veränderungswünschen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Arbeitszeit ist gelebter Alltag in den Betrieben. Eine solche Selbstverständlichkeit als gesetzlichen Anspruch zu definieren, ist überflüssig und führt nur zu neuer Bürokratie.

4. Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG n.F.)
Die Auffangregelung bezüglich der wöchentlichen Arbeitszeit bei Arbeit auf Abruf in § 12 TzBfG, die greift, wenn keine andere Arbeitszeit vereinbart wurde, soll von 10 auf 20 Stunden verdoppelt werden. Der Anteil der vom Arbeitgeber zusätzlich abrufbaren Arbeit soll künftig ferner nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Ist eine Höchstarbeitszeit vereinbart, soll der Arbeitgeber maximal 20 % weniger Arbeit abrufen können als vereinbart. Für die Berechnung der Entgeltfortzahlung wird die Durchschnittsarbeitszeit der letzten drei Monate als Berechnungsgrundlage festgelegt.

  • Bewertung des bvdm:
    Die vorgesehenen gesetzlichen Regelungen zur Schwankungsbreite und der Entgeltfortzahlung bei Arbeit auf Abruf entsprechen weitgehend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Auswirkungen auf die Praxis werden insofern voraussichtlich überschaubar sein. Die Anhebung der Stundenzahl, die als vereinbart gilt, wenn der Arbeitsvertrag keine andere Regelung enthält, soll einen Anreiz dazu bieten, die Arbeitszeit vertraglich festzuhalten. Dieser Anreiz kann jedoch nur bei neuen Arbeitsverhältnissen bestehen, es sollte daher aus Sicht des bvdm eine Vertrauensschutzregelung für bestehende Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, bei denen ohne entsprechende Vereinbarung die bisher geltende Zahl von 10 Wochenstunden zu Grunde gelegt wird.
  • Ausblick
    Nach unseren Informationen wird sich das Bundeskabinett am 23. Mai 2018 mit dem Gesetzentwurf befassen, so dass die parlamentarischen Beratungen möglicherweise erst nach der Sommerpause beginnen werden. Über den weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens werden wir Sie auf dem Laufenden halten.