BVerfG widerspricht BAG:
Grundsätzlich keine erneute Befristung ohne sachlichen Grund

Arbeitnehmer dürfen grundsätzlich nicht ohne sachlichen Grund mehrfach befristet eingestellt werden, selbst wenn dazwischen mehr als drei Jahre liegen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am 6. Juni 2018 entschieden und die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte „Karenzzeit“ von drei Jahren verworfen. Nur im Ausnahmefall hält das BVerfG eine weitere Befristung ohne Sachgrund für möglich.
Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG sind sachgrundlose Befristungen auf die erstmalige Begründung eines Arbeitsverhältnisses beschränkt. Diese Regelung ist nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine erneute sachgrundlos befristete Beschäftigung beim selben Arbeitgeber ist damit grundsätzlich unzulässig. Dem Beschluss lagen Entfristungsklagen zugrunde. Die Arbeitnehmer machten gegenüber ihrem jeweiligen Arbeitgeber geltend, die sachgrundlose Befristung ihres Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, weil sie bereits zuvor beim selben Arbeitgeber beschäftigt waren. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG seit dem Jahr 2011 so ausgelegt, dass eine erneute sachgrundlose Befristung möglich sei, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen mehr als drei Jahre liegen (s. Urteil vom 6. April 2011, 7 AZR 716/09 – Nr.-RS SP 12/2011 ). Diese Auslegung ist jedoch mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren, entschied das BVerfG. Gerichte dürften das Gesetz nicht gegen den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers auslegen. Das BVerfG betont aber, dass eine Auslegung des Ersteinstellungsgebotes i. S. v. „einmal und nie wieder“ ebenfalls gegen das Grundgesetz verstoße. Dies gelte dann, wenn „eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.“ Eine erneute Befristung könne dann zulässig sein, wenn die Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei. Als Beispiele nennt das BVerfG geringfügige Nebenbeschäftigungen in der Schul-, Studien- oder Familienzeit, Tätigkeiten von Werkstudenten und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder Unterbrechungen der Erwerbsbiografie, die mit beruflicher Neuausrichtung oder Weiterbildung einhergingen. Die Gerichte müssten in derartigen Fällen den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 TzBfG einschränken. Bewertung und Folgen der Entscheidung Die Aussage des BVerfG, dass z. B. in Fällen von Nebenbeschäftigungen während der Ausbildung, bei Berufswechseln oder anderweitigen tragen.den Gründen eine erneute Befristung ohne Sachgrund möglich sein muss, ist für die Praxis wenig hilfreich. Es besteht ein hohes Risiko, das Vorliegen einer solchen Ausnahme falsch einzuschätzen, mit der Folge, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande kommt. Durch diese Entscheidung ist die praxisfreundliche Auslegung des BAG aus dem Jahre 2011 obsolet. Somit ist damit zu rechnen, dass das Ersteinstellungsgebot erneut als „einmal und nie wieder“ ausgelegt wird. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass der Gesetzgeber das Befristungsrecht nicht, wie angekündigt, noch weiter einschränkt. Menschen, die es am Arbeitsmarkt schwer haben, muss auch künftig der Ein.stieg in Arbeit durch befristete Arbeitsverträge ermöglicht werden. Angesichts des restriktiven Kündigungsschutzes müssen sachgrundlose Befristungen als praxistaugliches und unbürokratisches Gestaltungsmittel erhalten bleiben. Den Volltext der BVerfG-Entscheidung finden Sie als registriertes Mitglied in der Anlage.